Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Viruserkrankungen in Schwangerschaft und Stillzeit

Unsere Fachinformationen werden regelmäßig überprüft und ergänzt.
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 2/2021

Autorin: Gudrun von der Ohe, Ärztin und IBCLC, Hamburg

Virusinfektionen

Die meisten Viruserkrankungen werden nicht durch die Muttermilch auf das Kind übertragen, sondern durch Einatmen oder durch Haut- bzw. Schleimhautkontakt. Infektionen von der Mutter zum Kind sind meist vertikale Übertragungen und können in der Schwangerschaft, bei der Geburt oder während der Stillzeit auftreten. Da Viren intrazellulär leben und Muttermilch Zellen enthält, gibt es auch Übertragungen durch die Muttermilch, mit unterschiedlichem Risiko für das Kind.

Berücksichtigt werden muss dabei, ob sich die Mutter vor, während oder nach der Schwangerschaft infiziert hat. Erkrankt die Mutter, werden die von der erkrankten Mutter gegen den aktuellen Infekt gebildeten unspezifischen und spezifischen Antikörper zeitgleich über die Muttermilch an das Kind weitergegeben. Somit ist das Kind in vielen Fällen vor diesen Erkrankungen geschützt (besonders ausgeprägt z.B. bei viraler Darminfektion durch Rota-Viren). Unterbricht man in diesem Fall das Stillen, erkrankt das Kind unter Umständen eher. Hinzu kommen noch die allgemeinen Risiken der Formulanahrung, wenn nicht gestillt wird.
Bei den meisten banalen Virusinfektionen des Alltags kann und soll das Kind daher uneingeschränkt weitergestillt werden.

Viren werden sicher durch Pasteurisieren der Muttermilch abgetötet, nicht aber durch Einfrieren. Durch Einfrieren wird lediglich die Virenanzahl verringert, die Infektiosität kann jedoch nach dem Auftauen durch veränderte immunologische Eigenschaften der Muttermilch ansteigen. Pasteurisieren (nach Holder: 62,5°C für 30 Minuten oder mit der HTST-Methode: 72°C für 15 Sekunden) verändert andererseits die biologischen Eigenschaften der Muttermilch, ist aber dennoch eine bessere Alternative als Formulanahrung, wenn Muttermilch als Übertragungsweg eine bedeutende Rolle spielt.

Im Folgenden informieren wir Sie über einige spezielle Virusinfektionen, deren Übertragung durch Muttermilch bekannt ist oder die häufig Fragen bei Ärzt*innen und medizinischem Fachpersonal aufwerfen, wenn sie stillende Mütter mit diesen Erkrankungen betreuen.

SARS-CoV2/ COVID-19 (Coronavirus)

Seit Anfang 2020 hält COVID-19 die Welt in Atem. Wir haben schon früh zwei Artikel zusammengestellt, die für Fachpersonal und Eltern alle wichtigen Fragen beantworten sollen, die rund um Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit im Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus auftreten. Beide Artikel werden regelmäßig aktualisiert.
Dabei stützen wir uns auf die Empfehlungen international anerkannter Institutionen und auf die Empfehlungen der deutschsprachigen Fachgesellschaften.

Humanes Immundefizienz Virus (HIV)

Eine HIV-Infektion kann heute mittels spezieller Medikamente über lange Zeit erfolgreich "in Schach" gehalten werden. Dadurch kann die Erkrankung AIDS, die aus der Infektion folgt, unter Kontrolle gehalten werden und ein weitgehend beschwerdefreies Leben ermöglicht werden.

Das HI-Virus kann von einer infizierten Mutter in der Schwangerschaft, unter der Geburt und im Prinzip auch über die Muttermilch auf das Kind übertragen werden. Auch eine Übertragung durch Risse an der Mamille (Blut) unter dem Stillen ist denkbar.
Allerdings gilt zunehmend das Stillen unter bestimmten Umständen auch in westlichen Welt als vertretbar – in Ländern der dritten Welt sowieso, da dort oft die Trinkwasserversorgung und künstliche Säuglingsnahrung nicht ausreichend sichergestellt werden können. In industrialisierten Ländern ist das Stillen möglich, wenn die Mutter dauerhaft medikamentiert ist und keine Viruslast mehr nachweisbar ist. In diesem Fall kann gemeinsam mit den betreuenden Ärzt*innen eine informierte Entscheidung getroffen werden.

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Ein ausführlicher Artikel, indem auch auf die neuen Untersuchungen bezüglich HIV und Muttermilch eingegangen wird, steht Ihnen zum Download zur Verfügung. Interessant ist z.B. die Entdeckung von Antikörpern gegen HIV im Kolostrum. Im Artikel enthalten sind auch Verlinkungen auf aktuelle Empfehlungen der deutschsprachigen Fachgesellschaften sowie neuerer Studien zum Thema Stillen und HIV/ AIDS.

Zytomegalie Virus (CMV)

Das CMV-Virus geht über die Muttermilch auf das Kind über, daher wirft der Umgang mit CMV-infizierten Müttern bezüglich der Empfehlung zum Stillen einige Fragen auf.

Eine CMV-Infektion des Kindes peri- oder postnatal mittels Blut, Zervixsekret oder Muttermilch über die Mutter ist für reifgeborene Kinder unproblematisch, verläuft asymptomatisch und erfordert keinerlei Einschränkung des Stillens. Bereits vor der Geburt intrauterin infizierte Kinder können ebenfalls uneingeschränkt gestillt werden, selbst wenn sie zu früh oder mit sehr geringem Geburtsgewicht geboren werden sollten - die Infektion hat in diesem Fall bereits stattgefunden.

Für die spezielle Gruppe der nicht intrauterin infizierten kleinen Frühgeborenen gibt es bislang keine international einheitlichen Empfehlungen. Diese Kinder sind besonders gefährdet, da sie noch nicht über eine ausreichende Immunkompetenz verfügen und auch keine passive Immunisierung über die Plazenta erhalten haben. Deshalb wird in vielen Krankenhäusern die Muttermilch für diese Kinder bisher pasteurisiert oder eingefroren.

Seit 2018 existiert ein Österreichisches Konsensuspapier, das als Richtlinie für den gesamten deutschsprachigen Raum dienen kann und die dringend notwendige Versorgung aller Frühgeborenen mit Muttermilch sicherstellt.
In unserem Oktober-Newsletter 2018 berichteten wir ausführlich über diese Leitlinie:

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Ein ausführlicher Artikel zum Thema CMV und Stillen steht Ihnen zum Download zur Verfügung. Darin enthalten finden Sie detaillierte Angaben zu Infektionswegen und Konsequenzen für das Neugeborene, außerdem Literaturangaben und Hinweise auf das Österreichische Konsensupapier. Somit eignet sich der Artikel auch gut zur Weitergabe an interessierte Kolleginnen und Kollegen.

Hepatitiden

Es gibt verschiedene Arten von Hepatitis, die durch unterschiedliche Viren ausgelöst werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass unter allen "klassischen" Hepatitis-Erkrankungen das Kind gestillt werden kann; lediglich die noch relativ neu entdeckte Hepatitis G ist bislang zu wenig untersucht, als dass dazu verlässliche Daten vorliegen würden. In den meisten Fällen erfolgt eine vertikale Übertragung von der Mutter auf das Kind bereits im Mutterleib oder unter der Geburt, außerdem tauchen nicht alle Hepatitis-Viren überhaupt in der Muttermilch auf. Das Risiko für eine Ansteckung prä- oder perinatal steigt häufig mit einer erhöhten Viruslast bei der Mutter.

Die Ansteckung mit Hepatitis A erfolgt schon in der Inkubationszeit, das Kind kann dagegen aber immunisiert werden. Gegen Hepatitis B sollten Kinder spätestens 12 Stunden nach Geburt immunisiert werden, wenn die Mutter Hepatitis-B-positiv ist oder der Status nicht bekannt ist - dies ist unabhängig von der Frage, ob die Mutter stillt und kann auch noch nach dem Bonding und dem ersten Anlegen durchgeführt werden.

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Ein ausführlicher Artikel mit genauen Angaben zu den einzelnen Hepatitis-Formen, den Übertragungswegen und möglichen Präventions-Maßnahmen steht Ihnen zum Download zur Verfügung und kann auch an interessierte KollegInnen weitergegeben werden.

Humanes T-lymphotropes Virus (HTLV)

HTL-Viren gehören (wie HIV) zu den Retroviren. Sie wurden bereits kurz vor HIV entdeckt, gerieten jedoch für einige Zeit in Vergessenheit, weil die Gefahr durch HIV in den 1980er-Jahren relevanter erschien. In jüngster Zeit sind sie wieder verstärkt Gegenstand der Forschung.

HTL-Viren werden vor allem durch Sexualkontakte übertragen, seltener auch durch Bluttransfusionen, Organspenden oder durch verunreinigte Spritzen bei Drogenkonsumenten. Wenn Schwangere das Virus in sich tragen, ist das Risiko, es durch Stillen auf ihr Kind zu übertragen, mit 20 - 24 % aller Infektionen sehr hoch.

Es gibt 4 bekannte HTLV-Untertypen, vor allem die beiden Typen 1 und 2 sind bisher erforscht. Die Infektion mit HTLV1 ist in vielen Regionen der Welt endemisch vorhanden, normalerweise verläuft sie weitgehend symptomlos. In 4 – 5 % der Fälle kann es allerdings in Folge zur Erkrankung an der hoch-aggressiven Adulten T-Zell-Leukämie (ATL) kommen, bei der das Überleben im Durchschnitt nur 8 - 10 Monate beträgt. Außerdem kann das Virus schwere Erkrankungen wie Myelopathie, Polymyositis, Uveitis oder chronische Lungenerkrankungen hervorrufen.

Bisher gibt es keine Therapie gegen HTLV. Infizierte müssen wissen, dass das Virus sexuell übertragbar ist und dass auch ihre Partner auf eine Infektion getestet werden sollten. Viruspositive Menschen sollten informiert werden, dass sie lebenslang klinisch und labordiagnostisch überwacht werden müssen.

HTLV-1-positive Mütter sollten ihre Kinder nicht stillen, zumindest wenn ausreichend sichere künstliche Babynahrung zur Verfügung steht.

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Ein ausführlicher Artikel, der die bisherigen Erkenntnisse zu HTLV zusammenfasst und für das Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen heruntergeladen werden kann, steht Ihnen zur Verfügung.

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